In diesem Versuch werden wir Ramanspektren von Silizium sowie von zwei verschiedenen Graphitproben aufnehmen.
kurze Zusammenfassung der Theorie…
1.0 Versuchsaufbau
Die Raman-Streuexperimente werden in Rückstreugeometrie ($-k\left|{e_i}{e_s}\right|k$) durchgeführt. Der gesamte Aufbau befindet sich auf einem schwingungsgedämpften Tisch. Als Lichtquelle wird ein He-Ne-Laser verwendet. Der Polarisationsdreher (λ/2 Platte) dient dazu, die Polarisationrichtung $e_i$ des eingestrahlten Laserlichtes einzustellen. Über Spiegel wird dieses in einen Interferenzfilter eingekoppelt, um Plasmalinien der Gasentladung herauszufiltern. Der Laserstrahl wird dann durch das Mikroskop auf die Probe fokussiert. Der Notch-Filter dient dazu, den elastisch rückgestreuten Anteil des Lichts (Rayleigh-Streuung ca. 106 mal größer als der inelastische Anteil) zu minimieren. Das eigentliche Gitterspektrometer mit 1800 Strichen pro mm bildet den in Richtung $e_s$ polarisierten Anteil des Streulicht spektral zerlegt auf eine CCD-Kamera ab. Das Auslesen der CCD erfolgt mit einem Computer.
1.1 Silizium
1.1.1 Ramanspektrum von Silizium
Ramanspektrum: Si, -45°, 20s | Ramanspektrum: Si, 0°, 20s |
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Die unteren Spektren sind logarithmische Darstellungen der oberen beiden.
Im Spektrum sind die Ramanpeaks der ersten (bei etwa 522cm-1) Ordnung sowei eine Bande in der zweiten Ordnung (920cm-1-1000cm-1) zu erkennen. Der Literaturwert ist 520cm-1. Hierbei fällt auf, dass die Bande der zweiten Ordnung bei einer kleineren Frequenz auftritt, als erwartet (2*522=1044cm-1).
Mode | Ordnung | Frequenz | ||
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$T_{2g}^{\Gamma}$ | 1 | 522cm-1 | 15.6ps-1 | |
? | 2 | 920cm-1 | 27.6ps-1 | |
$T_{2g}^{X,LO}$ | 2 | 945cm-1 | 28.3ps-1 | 12.6ps-1 |
$T_{2g}^{X,TO}$ | 2 | 985cm-1 | 29.5ps-1 | 13.9ps-1 |
$T_{2g}^{\Gamma}$ | 2 | 1044cm-1 | 31.3ps-1 |
…
1.1.2 Bestimmung der kristallographischen Achsen
Es sollten die Hauptkristallachsen eines Si-Wafers bestimmt werden. Silizium hat eine kubische Kristallsymmetrie. Bei einem Si-Wafer steht eine der Hauptachsen (z-Richtung) senkrecht zu dessen Oberfläche. Zur Bestimmung der Orientierung in der xy-Ebene wurde polarisiertes Licht in z-Richtung eingestrahlt und in Rückstreuung gemessen (Porto-Notation: $-z\left|{e_i}{e_s}\right|z$). Theoretisch gilt für die Streuintensität $I_s$ in diesem Fall:
(1)mit dem Raman-Tensor
(2)Gemessen wurde für verschiedene Drehwinkel $\phi \in (-180°, 180°]$ der Probe um die z-Achse mit jeweils parallelen (${e_i}={e_s}:={e_x}(\phi)=(\cos\phi, \sin\phi, 0)^T$) und gekreuzten (${e_s}:={e_x}(\phi)\perp{e_i}:={e_y}(\phi)=(-\sin\phi, \cos\phi, 0)^T$) Polarisationsrichtungen.
(3)Mit Hilfe von Mathematica wurde ein Fit an diese Funktionen durchgeführt und somit die Phase p, also die Lage der Kristallachsen, bestimmt. Im Diagamm sind die Intensitäten $\color{Blue}I_s^\shortparallel(\phi)$ (blau) und $\color{Red}I_s^\perp(\phi)$ (rot) des Maximums erster Ordnung der Raman-aktiven Mode T2g bei 522cm-1 aufgetragen. Die markierten Meßpunkte entsprechen den oben dargestellten Raman-Spektren.
Winkelabhängigkeit $I_s(\phi)$ des Maximums 1. Ordnung | ||
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Größe | Funktion | Fit |
$\color{Blue}I_s^\shortparallel(\phi)$ | $o + a\,\sin^2(\frac{2\pi}{360}\,2(\phi + p))$ | {o → 397.124, a → 8601.55, p → -3.21888} |
$\color{Red}I_s^\perp(\phi)$ | $o + a\,\cos^2(\frac{2\pi}{360}\,2(\phi - p))$ | {o → 300.408, a → 9436.12, p → -3.44662} |
Der Wafer lag also um -3.3° aus der Lage der Hauptkristallachsen verdreht unter dem Mikroskop.
1.2 Graphit
Ramanspektrum Graphit Einkristall
Graphit Einkristall, 10s | Graphit Einkristall, 100s |
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Graphit Einkristall 20s |
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Um die Spektren vergleichen zu können, wird die Intensität auf Counts/s normiert, der Untergrund abgezogen und die Spikes (senkrechte Linien, die nicht reproduzierbar sind; sie stellen Fehler des CCD-Chips dar) entfernt.
Graphit Einkristall, parallel | Graphit Einkristall, gekreuzt |
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Mode | Ordnung | Frequenz | $I_s^\perp$ | $I_s^\shortparallel$ |
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G | 1 | 1583cm-1 | 36 | 36 |
G | 2 | 3249cm-1 | 1 | 2 |
D | 1 | nicht vorhanden | ||
D | 2 | 2692cm-1 | 6 | 15 |
Ramanspektrum Ungeordnetes Graphit (Bleistiftmine)
Depolarisationsraten
Bei amorphen Proben kann die Symmetrie der Moden indirekt unterschieden werden, indem man ihre sogenannte Depolarisationsrate misst. Die Depolarisationsrate einer phononischen Mode ist als Verhältnis der Ramanintensitäten bei gekreuzter und paralleler Polarisation definiert: $\rho=I_s^\perp/I_s^\shortparallel$. Für vollsymetrische Moden ergibt sich ein Wert zwischen 0 und $\frac 3 4$, für alle anderen Moden $\frac{3}{4}$.
Mode | Ordnung | Frequenz | $I_s^\perp$ | $I_s^\shortparallel$ | $\rho$ |
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G | 1 | 1582cm-1 | 13.5 | 17.5 | 0.77 |
G | 2 | 3245cm-1 | nicht vergleichbar | ||
D | 1 | 1334cm-1 | 8 | 22 | 0.36 |
D | 2 | 2688cm-1 | 7 | 17.5 | 0.40 |
Man sieht also, dass die D-Mode vollsymmetrisch ist (0 < 0.36 < 0.75 bzw. 0 < 0.40 < 0.75) und die G-Mode nicht (0.77 $\cong$ 0.75).
Grad der Kristallordnung
Graphit hat wegen seiner unterschiedlichen Bindungen (in der Graphen-Ebene kovalente Bindungen und senkrecht dazu van-der-Waals Bindung) zwei sehr unterschiedliche Raman-aktive Moden. Es gibt eine bei 1580cm-1, die andere liegt bei etwa 42cm-1 und kann in dem verwendeten Aufbau nicht gemessen werden.
Ungeordnetes Graphit (Bleistiftmine) hat bei 1350cm-1 noch eine weitere Mode, die durch einzigartige doppelresonate Verstärkung verbotener phononischer Banden (vgl.1) entsteht. Da diese Mode durch Defekte im Kristall verursacht wird, ist seine Intensität ein Maß für die Geordnetheit. Beim Graphit-Einkristall ist diese Mode wegen der perfekten Symmetrie nicht zu erkennen.